Welches Buch?
Dobelli, Rolf (2011): Die Kunst des klaren Denkens: 52 Denkfehler, die Sie besser anderen überlassen, Hanser Verlag, München.
Wer ist der Autor?
Rolf Dobelli (Jahrgang 1966) studierte Philosophie und Betriebswirtschaft an der Universität St. Gallen. Er arbeitete bei namhaften Konzernen weltweit und gründete zusammen mit Freunden die Firma getAbstract (den weltgrößten Anbieter von komprimiertem Managementwissen). Außerdem schreibt Rolf Dobelli zahlreiche Kolumnen, Rezensionen und Kommentare für die ZEIT, die FAZ, die Sonntagszeitung in der Schweiz, den STERN, The Washington Post, The Economist, The Wall Street Journal, Bloomberg, Financial Times, NZZ, Handelsblatt, etc. (Quelle: http://www.dobelli.com/person?lang=de)
Worum geht’s in dem Buch / Inhaltliche Darstellung
Das Buch „Die Kunst des klaren Denkens“ ist eine Sammlung von Kurztexten, die über zwei Jahre hinweg in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“, „Die Zeit” und in der schweizerischen „Sonntagszeitung“ erschienen sind. Rolf Dobelli beschreibt darin systematische Denk- und Handlungsfehler, die sich evolutionsbedingt bei uns Menschen „eingeschlichen“ haben: Unser Gehirn ist für ein Leben als Jäger und Sammler optimiert. Da wir heute in einer radikal anderen, viel komplexeren Welt leben, können die beschriebenen Denkfehler zu Fehlentscheidungen in Bezug auf Karriere, Geld, Privatleben, etc. führen. Der Anspruch des Buches lautet, dem Leser „richtiges Denken“ beizubringen und so die „Evolutionsmechanismen“ auszutricksen.
Das Buch ist nicht als wissenschaftliche Arbeit aufbereitet, bezieht sich aber dennoch auf wissenschaftliche Erkenntnisse aus der Evolutionsbiologie und der Psychologie. Immer wieder streut der Autor Anekdoten ein und veranschaulicht seine Erläuterungen, indem er skizzenhaft (wissenschaftliche) Experimente beschreibt. Die Abhandlung der einzelnen Denkfehler erfolgt immer nach demselben Schema: Als Einstieg in den dreiseitigen Kurztext erzählt Dobelli eine kleine Geschichte aus dem Alltag, die viele von uns schon einmal so oder ähnlich erlebt haben. Nach dieser praxisnahen Einführung beschreibt er das Verhalten, das durch den beschriebenen Denkfehler hervorgerufen wird und erläutert anhand von Beispielen, wo und wie dieser Denkfehler auftreten kann und warum dieses Phänomen eintritt.
Dobelli erklärt in seinen Kurztexten beispielsweise, warum wir unser eigenes Wissen systematisch überschätzen, warum wir Theorien nachhängen, auch wenn sie nachweislich falsch sind, warum es für uns Menschen so schwierig ist, exponentielles Wachstum zu schätzen oder zum Beispiel warum etwas nicht deshalb „richtiger“ wird, wenn Millionen Menschen es für richtig halten. Auch die sogenannte „Begründungsrechtfertigung“ findet Eingang in das Buch. Diese besagt, dass Menschen eher bzw. lieber Anweisungen folgen oder etwas akzeptieren, wenn sie einen Grund genannt bekommen. Dieser kann auch sehr trivial sein. So ist man z.B. jemanden weniger böse, wenn er sich in einer wartendenden Schlange vordrängelt, wenn er einen Grund dafür nennt („Entschuldigen Sie bitte, darf ich nach vorne, mein Kind wartet im Auto auf mich.“ oder „Ich bin unter Zeitdruck“).
Eigene Stellungnahme / Gesamteinschätzung
Das Buch „Die Kunst des klaren Denkens“ ist eigentlich kein „Buch“ in dem Sinne, da man es in der Regel nicht von der ersten bis zur letzten Seite in einem Zug durchliest. Es ist eher ein Buch zum Durchblättern bzw. um z.B. im Wartezimmer Zeit zu überbrücken. Die jeweils dreiseiteigen Kapitel sind durchaus anregend und ansprechend geschrieben. Dadurch, dass Dobelli die gängigsten Denkfehler aufzeigt, erfindet er das Rad nicht neu und fasst bereits vorhandenes Wissen auf eine unterhaltsame Art und Weise zusammen.
Was in diesem Zusammenhang erwähnenswert ist: Dadurch, dass sich der Autor auf drei Seiten pro Denkfehler beschränkt, wirkt das Ganze sehr oberflächlich. Durch die triviale Erzählweise vermittelt das Buch eher „Chauffeur-Wissen“ als tiefgreifende wissenschaftliche Erkenntnisse. Die Erläuterungen zu den einzelnen Begriffen sind teilweise sehr knapp und die Hintergründe diverser angeschnittener Phänomene werden häufig nur sehr spärlich beschrieben.
Außerdem fragt man sich beim Lesen, warum der Autor ausgerechnet 52 Denkfehler für seine Beschreibungen ausgewählt hat. In der Psychologie bzw. der Evolutionstheorie gibt es bestimmt unzählige ähnliche Phänomene bzw. kann man diese – in größere Gruppen zusammengefasst – vielleicht sogar auf eine geringere Anzahl reduzieren. Jedenfalls lässt es darauf schließen, dass die Zahl willkürlich angenommen wurde bzw. höchstwahrscheinlich mit der Anzahl der Kolumnen zusammenhängt, die Dobelli für diverse Zeitungen geschrieben hat.
Was zudem beim Lesen des Buchs auffällt ist die große Zahl an englischen und französischen Begriffen wie z.B. „Hyperbolic Discounting“ oder „Omission Bias“ oder „C’est le ton qui fait la musique“. Es hätte bestimmt für manche Denkfehler einen passenden deutschen Ausdruck gegeben.
Abschließend lässt sich zusammenfassen, dass die von Dobelli beschriebenen Denkmuster über Jahre, Jahrhunderte, Jahrtausende gewachsen sind. Dem Autor gelingt es auf eine sehr einfache und unterhaltsame Weise, dass sich der Leser dieser Denk- und Verhaltensmuster bewusst wird und eine gewisse Sensibilisierung erreicht wird. Ob man dieses Wissen dann für konkrete Handlungen bzw. Umsetzungsvorhaben nützen kann, steht auf einem anderen Blatt geschrieben.